Die frühe Auflassung der Stadt und weitgehend fehlende Überprägung des Geländes durch jüngere Überbauungen sind aus archäologischer Sicht ein wahrer Glücksfall, quasi wie „eingefroren“ haben sich bauliche Strukturen einer mittelalterlichen Stadt des 13. Jahrhunderts erhalten.
In den Jahren von 1993 bis 2007 wurden vor allem durch Prof. Dr. Hans-Georg Stephan (Universitäten Göttingen und Halle) umfassende archäologische Grabungen in Nienover durchgeführt. Diese Untersuchungen ermöglichen Aussagen zur Gründung, Siedlungsstruktur, Hausbau, Sachkultur, zu den in der Stadt angesiedelten Wirtschaftszweigen und zu den Handelsverbindungen ihrer Bewohner. Da es aus dieser Zeit des hohen Mittelalters kaum Schriftquellen gibt, sind die archäologischen Untersuchungen von besonderer Bedeutung für die Rekonstruktion der hochmittelalterlichen Siedlungslandschaft.
Die Funde und Baubefunde wurden im Rahmen von zwei Dissertationen durch Dr. Sonja König und Dr. Thomas Küntzel ausgewertet.
Die Stadt – Parzellen und Straßen
Die Stadt wurde auf einer Rodungsinsel am Südrand des Sollings verkehrsgünstig an einer Nahtstelle zwischen Siedlungsland und Wald gegründet. Durch die archäologischen Untersuchungen konnten zwischenzeitlich ca. 15 % der Stadtinnenfläche untersucht werden. Im Ergebnis zeigte es sich, dass die Stadtfläche in ihrer Blütezeit etwa 250 x 500 m (ca. 10 ha, Innenfläche ca. 8 ha) einnahm. Etwa 100 Häuser säumten die Straßenzüge und zwischen 1000 bis 2000 Bewohner belebten die Stadt.
Während im Süden und Osten durch die Topographie ein natürlicher Schutz gegeben war, wurde die Stadt im Norden und Westen mit einer ca. 40 m breiten doppelten Wall- und Grabenanlage gesichert. Zusätzlich schützte eine vorgelagerte Landwehr die Stadt.
Die Hauptverkehrsachse verlief West-Ost, mit einem mutmaßlichen schrägen Abzweig zur Burg. Im Zentrum der Stadt zeichnen sich einzelne Parzellen von etwa 20 m Breite und 30–40 m Tiefe ab, direkt daneben auch Grundstücksbreiten von etwa 9 m. In den Parzellen wurden Reste von Vorderhäusern, Holz- und Steinkellern, Nebengebäuden und Brunnen bzw. Zisternen erfasst.
Gesamtplan mit Grabungsflächen und den wichtigsten archäologischen Befunden nach Mahytka, Küntzel und König. ©Küntzel
Gesamtplan Parzellenstruktur (Detail). ©König